Rezensionen zu chili-Büchern (kleine Auswahl):

Rezension: Der Inselgast – Vom Reisen, Eva Masthoff

Es gibt sie, diese kleinen Perlen inmitten der Unmenge neuer Bücher: Bücher, die auf den ersten Blick alltägliche Geschichten nicht nur über den Durchschnitt erheben, sondern uns berühren und mitnehmen in eine Welt fernab vom Alltag.

„Der Inselgast – Vom Reisen“ ist solch ein Buch. Die Autorin versucht nicht, uns mit spektakulären Ereignissen zu beeindrucken, sondern apelliert an die Gefühle des feinfühligen Lesers. Oft hält sie uns einen Spiegel vor, in dem wir uns wiedererkennen, denn wir steigen als Zuschauer in eine Geschichte ein. Und bevor es uns bewusst wird, identifizieren wir uns mit ihrer Hauptfigur und ergänzen die Geschichte mit unserer eigenen Sehnsucht.

In der ersten Geschichte „Der Inselgast – vom Reisen“, zieht die Autorin den Leser, der sich in der Hauptfigur wiedererkennt, der sich nach einem neuen Leben sehnt, sich davon eine neue Wendung verspricht, in die Geschichte hinein. „Er“ und „Sie“ sind geheimnisvolle Akteure, über denen eine Art Nebel hängt, durch den sie, verfolgt von einem unabwendbaren Schicksal, taumeln. Die eigentliche Hauptfigur ist die Möwe Jonathan, die den unvorhersehbaren Ablauf eines Menschenlebens symbolisiert.

Geschichten wie etwa „Yvonne de Galais von Bahnsteig 7“ oder „Begegnung in London“ sind sehr kurz, erinnern an ein Fragment aus einem Roman. Und gerade das weckt die Neugier. „Begegnung auf der Leipziger Buchmesse“ liest sich wie ein Blatt aus einem Tagebuch, während „Breslauer Notizen“ eine leidenschaftliche Liebeserklärung an eine wunderschöne Stadt sind. Die Erzählerin führt den Leser durch Städte und Museen, regt den Leser an, auf eigene Faust noch mehr zu entdecken. Und als ob sie weiß, wann der Leser nach so vielen Begegnungen mit schillernden Persönlichkeiten einer Pause bedarf, lädt sie ihn ein Restaurant, dessen Genüsse nach der Landschaft Liguriens schmecken.

(c) Cyriel Gladines, Belgien (November 2021)

Rezension: Lichtläufer eine literarische Brücke zwischen Europa und Afrika, Gerwine Ogbuagu

 

Diese gut recherchierte und literarisch hochwertige Saga-habe ich so richtig reingeschlürft beim Lesen. Das Taschenbuch ist wunderschön designed, beginnend mit den dunkeln, warmen Farbtönen des Covers  über Schrifttypen, kleine Symbolbilder, die Gestaltung des dreiteiligen Inhaltsverzeichnisses (Blitze, Donnergrollen, Gewitter) bis zu den genialen Erläuterungen über Götter, Speisen, Namensgebung usw.  hinten im Buch. (Als ehemalige Germanistin habe ich mich tatsächlich zuerst auf das Glossar und den historischen Background dieser Feudal-Kriegs-Story gestürzt).

 

Der Schreibstil: Dieser hat mich besonders entzückt, denn die Autorin hat ihn in Stimmung, Satzbau, Emotionalität, Metaphernreichtum und Erzählfluss total der afrikanischen Literatur angepasst. Manchmal konnte ich kaum glauben, dass eine Nicht-Afrikanerin dieses Epos geschrieben hat! Die Sprache ist gedrängt, kommt in kurzen Sätzen daher und konzentriert sich auf das Wichtigste, wobei klar wird, dass manchmal auch Kleinigkeiten zum Wesentlichen gehören …

Wunderschöne Landschaftsschilderungen wechseln ab mit Szenen aus dem tragischen Verlauf einer Sklavenfängergeschichte. Schlag auf Schlag entwickelt sich die Handlung, doch wie meist in der afrikanischen Literatur bleibt der Erzählton ruhig und wird niemals atemlos.


Der Text ist prallvoll mit Metaphern, zwischendurch gibt’s immer wieder harmonisch eingefügte Informations-„Tankstellen“ wie zum Beispiel die Schilderung über das Backen von Akara, das Flechten von Zopffrisuren oder die Tatsache dass Irokobäume (wie Holunder übrigens) sich ihre Plätze selbst aussuchen und dass sie gerne von Eulen besucht werden. In manche Bilder und Redewendungen habe ich mich beinahe verliebt: du bist wie mein Herz,  eine Mutter hat Augen auf dem Rücken, umschlingen wie eine Python, Regen, der Wände bildet, aber auch Wasser, so selten wie Honig, das Gewebe des Rätsels auftrennen usw.

 

Beschrieben werden Überfälle der Fon (Dahomey) auf die Yoruba (Ketu) zur Zeit der französischen Revolution und der Sonnenfinsternis von 1778. Der Fangvorgang der Sklaven, ihre Verschleppung und die grausamen Arbeitsbedingungen  in den Plantagen werden zwar ehrlich beschrieben, doch der ganze Text wirkt nicht eigentlich grausam. Er wird getragen und überstrahlt von der ursprünglich verbotenen Liebesgeschichte zwischen Adela und dem medialen Trommler Olufemi – eine glücklich ausgehende Romeo-und Juliastory.
 

Ich vergebe fünf Sterne für diesen Lesegenuss, bravo Gerwine Ogbuagu!

© Christine Keller, Schweiz

 

Rezension: Vom Geschmack der Erinnerung, Eva Masthoff

Dieses Buch, und vor allem “Der rote Faden”, hat sich mir wirklich eingeprägt.

Was zuerst oder am meisten ins Auge fällt, ist der ausgewogene Aufbau der Geschichte. Auch verwendet die Autorin  gewandt viele erzähltechnischen Mittel, um den Leser wirklich in die Geschichte einzubeziehen. Sie ist eine geborene Erzählerin und sie fesselt den Leser mit grosser Sprachgewandtheit, bei der ihr reicher Wortschatz und abwechslungsreicher Stil ins Auge fallen.

 

Was auch einen grossen Eindruck hinterlässt, ist, dass sie viel Menschenkenntnis besitzt, dass sie ganz präzise Leute beobachten kann und sich in sie einfühlen kann.

Wie gescheit z.B. beschreibt sie, wie der Protagonist auf S. 21 “die weißen Baumwollhandschuhe überstreift, bevor er ein Buch ehrfürchtig aufschlägt”. Ihre Evokation seiner Bezauberung (“Er berauscht sich am Geruch …”) ist grandios.

 

Aus all ihren “Erinnerungen” erweist sich, dass sie nicht nur eine große Kenntnis der Welt und der Menschen hat, aber auch ihr intellektuelles und kulturelles Rüstzeug springen ins Auge.

 

Zum Schluss möchte ich noch sagen, wie sehr die grandiose Beschreibung der Weine auf S. 20 mich getroffen hat: “... mineralisch wie ein Sancerre, weich wie ein Chardonnay, dumpf und morbide (!!) wie ein Merlot, dabei so melancholisch wie das 19. Jahrhundert” (!!!).

 

Nur ein Wort passt zu solchen Beschreibungen: phantastisch, d.h., auf unnachahmliche Weise formuliert!

Wirklich, sie verdient eine grosse Leserzahl.

(c) Cyriel Gladines, Belgien (November 2019)

 

 

Westfalenpost, 23.06.2014
Soester Anzeiger, Februar 2014
Tentakel, Literaturmagazin OWL, 2012

Rezensionen von Franziska Röchter (kleine Auswahl)

20 Jahre DAS GEDICHT! Deutschlands bekannteste Lyrik-Zeitschrift rund um zeitgenössische Poesie. Herzlichen Glückwunsch! Hier geht’s zum großen Jubiläumsblog: www.dasgedichtblog.de/

4.11.2011
Der deutsche Lyrikkalender für junge Leser 2012 (Hrsg. Shafiq Naz, Belgien)

19.10.2011
Anders sein ist ganz normal, Pierre Jarawan (Lektora 2011), Slam Poetry, auf myslam

13.10.2011
Der David ist dem Goliath sein Tod, Torsten Sträter, (Carlsen Verlag 2011)

03.10.2011
Schwerkraft und Leichtsinn, Texte für Oben und Untern,  Sebastian 23, WortArt 2011, auf myslam

28.09.2011
Etwas ist faul im Staate (Hrsg. Dominik Bartels), auf myslam

22. September 2011

Die Dunkelheit knistert wie Kandis , Hellmuth Opitz, Pendragon Verlag 2011

13.09.11

Lass uns feiern, Malou, Tilman Döring, auf myslam, mit Original-Rezi-Podcast

04. August 2011

Distanzen von Patrick Salmen, Urbane Melancholie trotzt Zeitgeist, auf www.myslam.net

Juli 2011

Franziska Röchter, haben sie komfortstatus? (März 2011) (scrollen)

Juli 2011 

Christian Ritter, Moderne Paare teilen sich die Frauenarbeit (2011), "Sliptragen als Single-Arbeit : von Hehlern, Statisten und ziemlich vielen Fernsprechvorgängen"

Mai 2011 

Anton G. Leitner, Die Wahrheit über Uncle Spam ... und andere Enthüllungsgedichte, (April 2011), "Muttermilch oder Schnaps? Viagra ist auch keine Lösung"

April 2010

Bettina Unghulescu, Heimatsch(m)olle(n) : Auf der Suche nach der Heimat, die einem anderen gehört (2010), "Wer sucht der findet hoffentlich! Oder dockt an!"

Oktober 2010

DAS GEDICHT 18 : Die Poesie von Licht und Schatten, Hrsg. Ulrich Johannes Beil und Anton G. Leitner (2010),  "Das Ausleuchten von Zwischenräumen"

Herbst 2009

Der Deutsche Lyrikkalender, Hrsg Shafiq Naz (2010)

NEU!

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